21.11.2024.
Balkonkraftwerk an Gartenlaube

Vorstoß des Bundesrats: Balkonsolar im Kleingarten freigeben

Neben Rüben, Salat oder Schnittblumen im eigenen Kleingarten auch Sonnenenergie zu ernten, ist eine naheliegende Idee. Die Gartenhäuser sind oft mit Spitzdächern ausgestattet, die zumindest auf einer, oft sogar auf beiden Seiten für Soloarmodule geeignet sind und Montagesysteme für die häufig anzutreffenden Bitumenbahnen oder Teerschindeln sind auch keine Seltenheit mehr. Hinzu kommt, dass die Laubenpieper meist keine zwei linken Hände haben und sich nicht vor kleineren Bauprojekten dieser Art scheuen. Mehr Arbeit als Bau und Bepflanzung ein Hochbeets macht ein Balkonkraftwerk schließlich auch nicht. Das wurde etwa bereits in Berlin verstanden, weshalb dort  seit einer Weile Steckerkraftwerke in Kleingartenanlagen ebenfalls mit 500€ gefördert werden – wenn auch zu etwas unklaren Bedingungen

Aber auch auf Bundesebene scheint hier langsam Verständnis für dieses bisher ungehobene Potenzial einzusickern. Das lässt sich jedenfalls bei oberflächlicher Betrachtung der Beschluss des Bundesrats vom 20.10. vermuten, eine Änderung des Bundeskleingartengesetzes beim Bundestag einzubringen. Bisher geriet man durch die Installation einer Solaranlage in Verdacht, den Charakter der Laube in den eines Wohnhauses zu verändern, was untersagt ist. Der auf eine Anregung aus Bayern zurückgehende Gesetzesentwurf sieht nun vor, Solaranlagen bis 800 Watt zu erlauben, ohne dass dies den Charakter der Laube verändert. Wer den Entwurf allerdings mit nicht ganz unbedarften Augen liest, kommt schnell ins Stocken.

  • So spricht der Entwurf etwa von einer „installierten Leistung von 800 Watt„. Die „installierte Leistung“ meint etwa im EEG allerdings stets die Brutto-, also die Modulleistung. Eine solche Beschränkung wäre unsinnig, da sie bereits heute von einer Reihe an Steckersolargeräten überschritten wird und diese Tendenz mit steigender Moduleffizienz ebenfalls steigt. Sie deckt sich zudem nicht mit den Grenzen der geplanten Definition des Steckersolargeräts im Solarpaket I.
     
  • Es wird im Entwurf auch nicht zwischen netzgekoppelten- und Inselanlagen unterschieden. Während eine Begrenzung auf 800W (Wechselrichterleistung) bei netzgekoppelten Anlagen Sinn ergibt, ist diese bei Inselanlagen völliger Unsinn. Die Inselanlagen sollen schließlich dazu dienen, Rasenmäher, Gartenpumpen, Bohrmaschinen, Häcksler und weitere leistungshungrige Verbraucher zu bedienen. Mit 800W kommt man da nicht weit.
     
  • Zudem möchte der Entwurf die Nutzung ausschließlich „zur Eigenversorgung des Kleingartens“ ermöglichen. Angesichts der im Bundeswirtschaftsministerium bereits fest eingeplanten und lange überfälligen Angleichung der Energiegesetzgebung an europäische Richtlinien zum Energy-Sharing, zur gemeinschaftlichen Eigenversorgung und zum möglichst barrierefreien Stromhandel zwischen Privatpersonen, ist eine solche Forderung ebenfalls nicht zeitgemäß.
     
  • Darüber hinaus lässt der Entwurf die weiteren Gründe außer acht, welche Kleingärtner auch nach einer Anpassung des Kleingartensgesetzes davon abhalten werden, insbesondere netzgekoppelte Solaranlagen zu betreiben. So ist weiterhin unklar, wie die Leistungsgrenze von 800W in Hinsicht auf die verbreitete Strukturierung von Kleingarten-Stromnetzen mit einem zentralem Haupt- und nur durch die Vereine selbst verwalteten Unterzähler behandelt werden soll. Eigentlich darf nach geltenden Normen pro Hauptzähler lediglich ein Gerät mit 800W angeschlossen sein.

Eine Lösung für den letzten Punkt wäre eine Gleichstellung der Eigenversorgung in der Kleingartenanlage mit der im Solarpaket I vorgesehenen “gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung” nach dem neuen §42b EnWG zu erreichen. Es sollte dabei jedoch genügen, die Unterzähler der Steckersolar-Nutzer durch „moderne Messeinrichtungen“, also digitale Zähler mit Zweirichtungszählung, auszutauschen, statt der im Solarpaket geforderten „intelligenten Messystemen“. Letztere sind hier technisch nicht erforderlich, denn den Parzellen wird zwar durch den Verein weiterhin der gesamte Realverbrauch in Rechnung gestellt, die kumulierten rückgespeisten Überschüsse der Parzellen hingegen werden zum Abrechnungszeitpunkt auf sämtliche Parzellen nach einem festzulegenden Schlüssel (zu gleichen Teilen, nach Fläche o.ä.) angerechnet, sodass alle profitieren. Evtl. auftretende Gesamtüberschüsse der Kleingartensiedlung könnten entweder vergütungsfrei ins Netz abgegeben werden oder sogar vergütet werden und so wiederum den Kleingärtnern oder/und dem Verein zugute kommen.

Ein anderer Lösungsansatz wäre, dass der Verein beim Vorliegen der technischen Voraussetzungen beschließt, eine insgesamt größere Solaranlage auf die vorhandenen Schuppen, Lauben, Unterstände oder andere Gebäude zu „verteilen“. Eine solche Anlage könnte dann einmalig durch einen Elektriker angemeldet werden. So könnten landschaftsverträglich und ohne zusätzlichen Flächenverbrauch größere Leistungen ans Netz gebracht werden – teils sogar in Eigenleistung, die dann in weiten Teilen von den Kleingärtnern direkt genutzt werden können, um ihren Bedarf abzudecken.  

Beide Ansätze setzen jedoch voraus, dass das Kleingartengesetz auf eine Weise angepasst wird, welche dies auch zulässt. Dies ist bei der aktuellen Formulierung nicht der Fall. Daher plädieren wir stattdessen dafür, dem §3 des Bundeskleingartengesetzes folgenden Absatz anzufügen: 

Die Nutzung von Photovoltaikanlagen ist unter Berücksichtigung der Regelungen der Absätze 1 und 2 zulässig. Sie berühren nicht die unter § 2 geregelte Gemeinnützigkeit.

Damit ist gewährleistet, dass Photovoltaik im Rahmen der geltenden Energiegesetzgebung grundsätzlich auch in Kleingärten erlaubt ist. Regelungen in den Vereinssatzungen, welche Photovoltaik bisher grundsätzlich ausgeschlossen haben, wären damit nicht mehr statthaft. Dennoch darf Solartechnik nicht den Charakter des Kleingartens als Erholungs- und Naturraum beeinträchtigen. Aufgrund der stark unterschiedlichen Voraussetzungen auf den jeweiligen Parzellen lässt sich auf die Frage, wann dies der Fall ist, von Gesetzesseite aber gar keine Pauschalantwort geben. Diese Entscheidung bliebe daher weiterhin im Regelungsbereich des Kleingartenvereins. Ähnlich wie bei der anstehenden Privilegierung der Balkonkraftwerke in Miet- und Eigentumsrecht fände über diese Formulierung allerdings eine Beweislastumkehr statt. Es wäre nun am Kleingartenverein bzw. übergeordneten Stellen, nachzuweisen, dass das jeweilige Photovoltaikprojekt des Kleingärtners/der Kleingärtnerin dem Nutzungszweck des Kleingartens nicht genügt. Dies dürfte in den meisten Fällen schwer fallen, denn §3 Absatz 1 des Bundeskleingartengesetzes stellt die „Belange des Umweltschutzes“ und „des Naturschutzes“ bei der Nutzung in den Vordergrund. Diese Zwecke erfüllen Solaranlagen bekanntlich aufs Vorbildlichste.

Zumindest diese Haltung scheint auch schon Gehör gefunden zu haben, denn in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf heißt es nun immerhin:

Photovoltaikanlagen zur Erzeugung von Arbeitsstrom sind kleingartenrechtlich grundsätzlich zulässig, es bedarf daher keiner Gesetzesänderung. Soweit Elektrizität nur als Arbeitsstrom zum Betrieb von Gartengeräten zur Bewirtschaftung des Kleingartens genutzt wird, dient sie der kleingärtnerischen Nutzung und ist aus kleingartenrechtlicher Sicht zulässig. Diese Erwägungen gelten auch für Photovoltaikanlagen. Dabei kann die Photovoltaikanlage auch an ein Stromnetz anschlossen sein und Strom dort einspeisen. Hier ist auch § 3 Absatz 1 Satz 2 BKleingG zu beachten, wonach bei der Nutzung und Bewirtschaftung des Kleingartens Belange des Umweltschutzes berücksichtigt werden sollen. Die Eigenproduktion des Arbeitsstroms auf der jeweiligen Parzelle ohne Verlegung von Leitungen in der Kleingartenanlage und ohne den Bezug von Elektrizität aus nicht nachhaltigen Quellen dient insbesondere dem Umweltschutz (Mainczyk/ Nessler, Bundeskleingartengesetz, 13. Aufl. 2023, § 3 Rn. 23).

Auszug aus der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf des Bundesrats für eine Änderung des Bundeskleingartengesetzes

Diese Interpretation entspricht allerdings bislang weder der genannten Quelle noch der aktuellen Rechtspraxis. In dem im Kommentar genannten juristischen Fachwerk zum aktuell gültigen Gesetz heißt es vielmehr wortwörtlich, es

„…muss zum Erhalt der Rechtmäßigkeit der Laube sichergestellt werden, dass der Anschluss [der PV-Anlage] nicht in der Laube erfolgt…“

Mainczyk/ Nessler, Bundeskleingartengesetz, 13. Aufl. 2023, § 3 Rn. 23

Folgerichtig legt etwa auch der Musterzwischenpachtvertrag in Berlin fest, dass Solarenergie ledigich genutzt werden darf, durch

netzunabhängige Fotovoltaik-Anlagen mit einer Kollektorfläche von max. 5 m² und solarthermische Anlagen mit einer Kollektorfläche von ca. 2,50 m², wenn städtebauliche und bauordnungsrechtliche Gründe dem nicht entgegenstehen,“

aus $11 Musterzwischenpachtvertrag Berlin (2009)

Sollte der Bundestag der Empfehlung der Bundesregierung folgen und den Gesetzesentwurf aus dem Bundesrat schlicht ablehnen, dann bliebe es bei der gegenwärtigen Regelung. Die Nutzung netzgekoppelter Steckersolargeräte an der Gartenlaube wäre damit ggf. auf Jahre unmöglich. Dass dies für uns kein befriedigendes Ergebnis sein kann, versteht sich von selbst. Daher werden wir uns auch weiter für eine entsprechende Änderung des Bundeskleingartengesetzes und eine Freigabe von Photovoltaik in sinnvollem Umfang auch in Kleingärten einsetzen.

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